Soweit, so gut… alles lief nach Plan… bis Corona kam. Ich habe mich erst einmal nicht aus der Ruhe bringen lassen, war das Rennen in Hamburg doch noch lange hin.
Nach und nach wurden allerdings die ersten Wettkämpfe abgesagt. Das Rennen für Hamburg wurde zunächst von Juni auf September verschoben. Beste Meldung – ein Start schien also noch möglich. Doch dann kam, was kommen musste – eine Absage für den Ironman Hamburg. Plan B musste her, wollte ich meine LD doch unbedingt machen.
In Estlands Hauptstadt Tallinn sollte noch ein Ironman stattfinden. Voller Optimismus fragte ich beim Veranstalter an und konnte meinen Startplatz dorthin übertragen. Zwischen Hoffen und Bangen trainierte ich weiter und befasste mich allmählich mit der Reiseplanung. Meine Freundin Mareike und mein Kumpel Matze wollten mich begleiten. Matze meldete noch kurzfristig für den zeitgleich stattfindenden 70.3, was sich später noch als Jackpot herausstellen sollte. Bis dahin schien ein Start zum Greifen nah. Denkste… da war immer noch Corona. Unsere gebuchten Flüge wurden seitens der Airline annulliert. Der Veranstalter übermittelte uns Athleten reihenweise Informationen und Verhaltensregeln. Für die Einreise nach Estland und die anschließende Rennteilnahme war ein negativer Corona-Test nötig, der innerhalb einer bestimmten Frist gemacht werden musste. Wir unterzogen uns also dem Test, warteten auf die Ergebnisse und buchten erneut Flüge. Das gesamte Starterfeld wurde in verschiedene Check-In-Zeiten eingeteilt, um sämtliche Hygiene- und Abstandsregeln einhalten zu können. So kollidierten dann Wartezeiten mit Flugplan und Registrierungszeiten vor Ort. Die rechtzeitige Ankunft schien unmöglich, bis ich den Veranstalter um zeitliche Änderung des Check-Ins bat. Wieder hatten wir eine Hürde genommen, doch beschlichen mich allmählich Zweifel, ob ich mein Glück hier evtl. zu sehr herausfordere. Dennoch wollte ich unbedingt an den Start gehen und wir traten unsere Reise an – jetzt konnte doch nichts mehr schief gehen!?
Die Reise nach Tallinn verlief reibungslos unter Einhaltung strenger Hygieneregeln. Bei Ankunft in Estland war ein weiterer Corona-Test nötig, der direkt am Flughafen gemacht werden musste. Hier sollte wohl geprüft werden, wie robust Triathleten wirklich sind. Die Abstriche werden dortzulande scheinbar direkt aus der Gehirnmasse genommen 🙂 „Wie weit lassen sich die Stäbchen wohl durchschieben?“ Mit diesem schmerzhaften Willkommensgeschenk im Gepäck fuhren wir in unser Hotel und erhielten immerhin wenig später die negativen Testergebnisse.
Am nächsten Tag trafen wir Andi Dreitz beim Frühstück, guckten uns bei Sebi Kienle ab, wie man richtig schnell rennt und saugten die lange vermisste Wettkampfluft auf.
Frohen Mutes holte ich mein Rad für den Check-In und sah, dass Öl aus der Bremse tropft. Aus Wettkampffieber wurde Panik. Ein Radladen vor Ort hatte glücklicherweise entsprechendes Equipment vorrätig und der Mechaniker legte sofort los – aufatmen. Dann folgte die Katastrophe: die Bremsen gaben ihren Geist auf. Für den Moment waren sie nicht mehr zu retten und mein Start nicht mehr möglich. Meine Nerven lagen blank. Nun war guter Ra(d)t teuer. Mein Kumpel Matze zögerte nicht lange und bot mir sein Rad an, was gleichzeitig Verzicht für ihn bedeutete. Welch ein Sportsgeist! Der Mechaniker baute also aus zwei Rädern einen für mich passenden Renner zusammen. Ob sowas gut geht – 180 Km auf einem fremden Rad? Muss – eine andere Option gab es nicht. Eine kurze Probefahrt musste reichen, damit ich nicht auch noch die Registrierung verpasste. Nach Abgabe des Rades sowie Starterbeutel sorgte dann eine ganz normale Frage an einen Mitstreiter „Hey, weißt du, wann morgen der Bus fährt?“ für Erheiterung. In meiner Nervosität war mir entgangen, dass mein Gegenüber Nils Frommhold war Profimäßig hat er die Situation gelöst „ich fahre mit dem Taxi, da mein Hotel außerhalb liegt“. Wir konnten endlich wieder lachen.
Früh am nächsten Morgen klingelte der Wecker – endlich Raceday! Wir fuhren rechtzeitig zum See und warteten auf den Startschuss – auf geht’s! Zuvor waren 16 Grad Wassertemperatur gemeldet, die leider auch so kalt waren, wie sie vorab klangen. Der Rolling Start half mir, dennoch schnell meinen Rhythmus zu finden. Nach 2 Km ca. machte sich das kalte Wasser allerdings bemerkbar, sodass sich erste Krämpfe andeuteten. Auf dem zweiten Abschnitt kamen dann Gegenwind und Wellengang dazu. Ich musste „anhalten“ und die Krämpfe abschütteln. Das Ziel war allerdings schon in Sichtweite und ich zwang mich, locker zu bleiben und weiter zu schwimmen. Ich näherte mich dem Ausstieg und richtete mich auf, als meine Hände den Grund berührten – wie von Uta gelernt 🙂 Raus aus dem Wasser war ich fix und fertig. „Sollten all diese Strapazen umsonst gewesen sein? Muss ich wirklich nach dem Schwimmen aufgeben?“ Auf keinen Fall – ich sammelte mich, wechselte und stieg auf „mein“ Rad. Meine Beine hatten sich erholt und waren nun trotz Gegenwind und Höhenmetern frisch. Ich nahm Tempo auf, gewöhnte mich schnell an den Renner und konnte meine geplanten Wattwerte treten. Nach 90 Km kam ich zuversichtlich am Wendepunkt an, fuhr die zweite Runde und konnte nach 4:55 Stunden in T2 wechseln. Ich kam zwar knapp vom Rad, aber war sehr zufrieden 🙂 Ich schnürte meine Laufschuhe und machte mich auf den Weg. Die Laufstrecke wartete mit Kopfsteinpflaster, Schotter und einigen Höhenmetern. Petrus hatte es bis hierhin gut mit uns Athleten gemeint, schickte nun aber viel Regen. Die ersten beiden der vier Laufrunden meisterte ich gut und in meiner geplanten Pace. Ab Km 28 wurde es allerdings zäh, kalt, nass, rutschig und immer steiler 🙂 Einmal noch beißen, fast geschafft – das Ziel kam näher. Ich konnte den Peter Poppe von Tallinn schon hören und lief also voller Freude und Euphorie in Richtung des roten Teppichs. „You are an Ironman“ – da waren sie, die magischen Worte. Ich war nach 10:11:57 Stunden wirklich im Ziel. Meine Supporter nahmen mich in Empfang und wir teilten Freude und Stolz. All die Strapazen und Zweifel wurden doch noch mit einem tollen Finish belohnt.
Am nächsten Tag traten wir dann erschöpft, aber glücklich, unsere Heimreise an. Kurz vor Schluss machte es die Deutsche Bahn noch einmal spannend, aber das Drama wollen wir an dieser Stelle aussparen:-)
Was für ein Abenteuer, Höhen und Tiefen, Panik und Euphorie – mit etwas weniger Aufregung wär’s doch auch gegangen? Vielen Dank an meine zukünftige Frau Mareike, meinen Kumpel Matze, ohne den ich nicht hätte starten können, an meine SCI-Trainer und an meinen Coach Vucko und vor allem vielen Dank an all die tollen Daumendrücker!
Ich glaube, ich mach’s nochmal 🙂